"Tantra"

Im Vergleich zu früheren Zeiten hat sich in unserer modernen Zeit nichts in der Vorgehensweise der Tantriker geändert. Meine Ausbildung beginnt damit, dass ich meinen Körper reinige, stärke und flexibler mache. Innerhalb meiner Vorbereitung wird mir durch einfache Übungen immer wieder der Kernpunkt meiner „aufrechten“ Haltung bewusst gemacht. Dieser Kernpunkt befindet sich ca. 2 cm unterhalb meines Nabels und wird von den Tantrikern Kanda genannt. Dieser Konzentrationspunkt wird aus der netzartigen Vereinigung aller grob- wie auch feinstofflichen Nadis gebildet, die durch die verschiedenen Koshas unseres Körpers verlaufen. Dieser Punkt ist daher der zentrale Ort für den Energiefluss im Körper. Nach Vorstellung der Tantriker kann in diesem Plexus etwas Neues entstehen bzw. geboren werden, daher ist diese Stelle weiblich, die Kanda.

Alle Praxis beginnt oder endet in meiner Mitte, der Kanda, mit dem Ziel, diese zu stärken und mir bewusster zu machen. Ich lerne, "aus meinem „Bauch heraus" zu praktizieren und somit aus meiner Intuition, die ihren Sitz dort hat, zu leben. Jede meiner Bewegungen und alle meine Ideen entstehen im Kanda und fließen von ihr ausgehend durch die Nadis nach außen in meine Karmendriyas. Diese geben mir die Möglichkeit, den Energiefluss an ein Ziel meiner Wahl zu geben, wie z.B. mit meinen Händen kreativ zu arbeiten, und die Energie wieder zurück in meine Mitte zu leiten. Nach einiger Zeit des praktischen Übens wird sich ein tieferes Verständnis für meine innere, wie auch meine äußere Welt entwickeln. Ich werde die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Dimensionen erkennen und ihre Einheit erfahren.

Die unkomplizierten, aber durchaus anstrengenden Übungen, wecken zuerst meine Energie. Daraufhin lerne ich die erweckte Energie, mit bewusstem Geist, durch meinen Körper zu leiten. So werde ich mir mehr und mehr des Energieflusses bewusst und bin nun bereit, Energie im Kanda zu konzentrieren oder die Energie in meine Außenwelt abzugeben. Ich beginne, meine innere Stimme wahrzunehmen, auf sie zu achten und werde gewahr, in welche Bereiche meines Körpers meine vermehrte Energie natürlicherweise an diesem Tag aus meinem Kanda heraus fließen möchte. Meine natürliche und lebendige Haltung fließt aus meiner Mitte nach außen und zurück. Im Einklang mit meiner Natur werden die Koshas belebt und erfahren. Ich lerne, mich mehr und mehr meiner naturgemäßen Aufgabe zu widmen.

Die erste Hülle, unser fester Körper, wird durch die Shatkriyas gereinigt. Neben diesen wird auch Shankprakshalam gemacht. Dies ist ein Prozess in dem wir unsere angesammelten Schlacken sorgsam entfernen. Außerdem lernen wir, mit typengerechten Bewegungen und Haltungen, unseren Körper zu stärken und zu öffnen, ohne in zu überfordern.

Für die Pranahülle lernt man innerhalb der Bewegungen bzw. Haltungen sich den Atem typgerecht bewusst zu machen.

Für die anderen Hüllen machen wir geführtes Zeichnen, Yoga Nidra, Traumarbeit und Reflexion. Außerdem ist es wichtig einen Lehrer/in oder Begleiter zu haben, der mich aufmerksam hält.

Wenn ich diesen Prozess durcharbeitet habe, was durchaus 3 - 7 Jahre dauern kann, bin ich soweit meine freier fließende Energie in ein Kalá (s.o.) meiner Wahl zu stecken. Es werden wie gesagt 64 verschiedene Kalás beschrieben. z.B. : Kampfkunst, Tanz, Politik, Architektur, verschiedene Künste, Ayurveda, Yoga ............................

Welchen Weg oder welche Kunst ich einschlage, entscheidet man oft mit dem Lehrer zusammen. Er oder sie hat ja in den Jahren der Begleitung genug Zeit gehabt, mich kennen zu lernen und meine Talente zu studieren.

"Hatha-Yoga als Grundlage des tantrischen Weges"

Hatha Yoga meint das Erkennen und bewusste Erleben der Gegensätze. Gegensätze wie hell und dunkel, warm und kalt, Sonne und Mond, männlich und weiblich, aktiv und passiv, einatmen und ausatmen, nehmen und geben Ida und Pingala . Ich lerne aber nicht nur die Gegensätze zu erkennen, sondern, was viel wichtiger ist, den Ausgleich durch typgerechtes Verhalten zu schaffen. energetisch in deren Mitte, in die Sushumna zu kommen. Dieses harmonische Sein empfinde ich am Anfang nur materiell oder grobstofflich, wenn ich jedoch längere Zeit bewusst praktiziere und feinfühliger werde, werden mir auch die feineren Zustände meines Seins bewusst, also die Bewegung, die förmlich aus dem Nichts kommt, sich materialisiert und danach dorthin zurück fließt. In der Sushumna und somit mit meinem Bewusstsein in der Mitte zu verweilen, bedeutet, dass mein Ich den Tag so gestaltet, dass ich im Energiefluss bin. Da meine Vorbereitung mir einen freieren Energiefluss ermöglicht und die Übungen mir Kraft und Erdung geben, bekomme ich immer genügend Energie für meinen Tag, ohne an meine Urenergie herangehen zu müssen. Das richtige Kalá führt mich, auf einem für mich direkten Weg, zu meinem Ursprung, zu meinem Höchsten Selbst. Das Kalá, in dem der Weg des Zölibats Sanyass gelebt wird, ist wohl das direkteste und gleichzeitig das schwierigste und gefährlichste. Ich behalte dabei meine sexuelle Energie, die die stärkste Energieform ist, weitgehend in mir und nutze sie, um mich selbst zu verstehen, also die Energieimpulse, die in mir entstehen und nach außen drängen und mich zu einer Bewegung treiben. Ich versuche, diese Energie zurück zu ihrem Ursprung zu verfolgen, sie zu verstehen und dadurch Harmonie in mir zu erzeugen. Bei den anderen tantrischen Kalás ist die Energie mehr nach außen in die Karmendriyas gerichtet und ich nutze sie, um Energieimpulse in die Gesellschaft abzugeben. Ich versuche dabei, mir meiner Impulse bewusster zu werden und beobachte, wie sie auf meine Umwelt wirken. Ein Sprichwort sagt: „Wie ich in den Wald rufe, so schallt es heraus“. In diesem Sinne wird die von mir in meine Umwelt getragene Energie von dieser reflektiert, ich bekomme also das zurück, was ich letztendlich selbst ausgesandt habe. Im Grunde verfolgen beide Ausrichtungen, die Sanyass sowie der nach außen gerichtete Weg, dasselbe Ziel: Harmonie zu erzeugen und dadurch den Energiefluss in der Sushumna zu halten. Beide Wege gehen vom groben zum feinen Erleben, um letztendlich meines Höchsten Selbst zu erfahren, nur sind die Wege dorthin unterschiedlich. Den Weg des Sanyass einzuschlagen, ihn bewusst zu leben, ohne aus seiner Mitte zu fallen, krank zu werden, erfordert viel Hingabe und Bewusstsein. Außerdem ist die Gefahr in einen Egotrip zu fallen recht groß, da wir kein andersgeschlechtliches Gegenüber haben, welches uns reflektiert. Die Tantriker empfehlen deshalb auch den meisten Menschen den Weg, eine Familie zu gründen, die kleinste Einheit unserer Gesellschaft. Diesen Weg der Familie zu gehen, ohne dabei aus seiner Harmonie zu fallen, bereitet den Menschen auf die letztendliche Erfahrung vor. Letztendlich ist der Weg der Kalás ähnlich dem der Alchemisten. Der innere Weg des Yoga wird meist mit einem äußeren Weg verbunden und die Kalás des äußeren Weges mit Selbstreflexion, der Technik des Yoga.

Fazit

Dem tantrischen Lehrer ist es wichtig, jedem Menschen, der zu ihm kommt, eine individuelle Vorbereitung bzw. Begleitung zu geben. In den Kursen und Einzelstunden steht somit die Energie-Anreicherung bzw. Abgabe als Vorbereitung auf ein Kalá bzw. dessen Begleitung im Vordergrund. Es entscheidet sich oft in der Zusammenarbeit mit seinem Lehrer welches Kalá am sinnvollsten gelebt werden kann.

In meiner Yoga-Praxis hat es sich als hilfreich erwiesen, westliche Praktiken der Psychoanalyse in die Kurse zu integrieren, so z.B. die Arbeit mit inneren Bildern. Meine inneren Bilder geben mir ein tieferes Verständnis für mein Denken und Erleben. Die Tantriker betrachten auch den Schlafzustand, schließlich schlafen wir doch ca. ein Drittel unseres Lebens. Sie behaupten, dass wir 95 % unseres Karmas im Traumschlaf verarbeiten. Um das Bewusstsein für diesen Zustand zu schulen, habe ich daher auch Traumarbeit in meine Yoga-Praxis integriert.

 

Hatha-Yoga kann in fünf Aspekte unterteilt werden:

 
 

Asana

Korrekte Körperausrichtung, fließende Bewegung, Balance und Ent- bzw. Anspannung fördern Kraft und Flexibilität und spielen in der Yogapraxis zusammen. Die Atmung wird in jede Bewegung mit einbezogen, wodurch die Asanas eine große gerichtete Intensität und Dynamik erhalten. Eine Asana beginne ich zu verstehen wenn ich sie von allen Seiten, von oben und unten betrachtet habe. Ich beginne, ihre Intensität und ihre Zielsetzung zu fühlen und lerne, sie zu gegebene Zeit richtig einzusetzen.

 

 
 

Pranayama

Energieverbrauch und die Lebenskraft, das Prana und sein Bewusstsein

Solange wir jung und gesund sind, gehen wir mit unserer Lebensenergie sehr großzügig um. Doch bereits in jungen Jahren werden wir mit so viel Stress und Kampf konfrontiert, dass wir diese Aktionen als negative Emotionen im Körper speichern. So versuchen wir ständig diese, für uns "Abfall-Energie", an unsere Umwelt abzugeben, sie an Anderen auszulassen oder speichern sie in uns ab. Wir suchen ein Ventil diese Energie zu verarbeiten. Dadurch verlieren oder stauen wir kostbare Lebensenergie. Die Tantriker beschreiben Techniken, unsere Energie qualitativ zu verändern. Wir können lernen, uns für ihre Strömung zu sensibilisieren, umgewandelte gute Energie in den Körper zu lenken und in den Organen zu speichern oder an unsere Umwelt abzugeben. Dadurch arbeiten wir mit unserer nachgeburtlichen Energie und verbrauchen nicht unsere kostbare Urenergie. Was uns ein langes und gesundes Leben schenkt.

 

 
 

Ent-/ Anspannung

Mit der Zeit lernen wir unsere Übungen typengerechter zu praktizieren. So werden wir uns unseres Energieflusses bewusst und haben somit die Möglichkeit, diesen Energiefluss auch im normalen Leben wahrzunehmen.

Was tut mir gut, was liegt im Moment an, bin ich im Fluss?

Brauche ich Entspannung oder Anspannung, Geben oder Nehmen?

 

 
 

Ernährung

Die Nahrung des Menschen sollte dazu beitragen unsere Sinne zu verfeinern und unsere Fähigkeit zur Meditation zu fördern. In der Ernährung - wie übrigens überall im Yoga - gilt es, mehr und mehr Gleichmut und Achtsamkeit zu erlangen. Sich nicht so sehr von seinen Gelüsten beherrschen zu lassen, sie zu beobachten, warum, wann und wie kommen sie, sich anzuschauen was sie mit mir tun und Unterscheiden zu lernen, ist ein Schritt zur Meditation;

was sind Gelüste und was sind Impulse des Körpers.

In welchen Lebensumständen bewege ich mich gerade und was an Nahrung hilft mir und unterstützt mich dabei und was nicht.

Welche Nahrung fördert mein typengerechtes Verhalten.

Nicht jede Lust ist falsch, alles zu seiner Zeit.

 

 

 

 

Blume

 

Meditation

Dazu ein kurzes Gedicht:

Natürlich - Meditieren

Was heißt es natürlich zu sein,

ich öffne mein Herz,

wie eine Rose ihre Blüten

ohne zu wissen was kommt,

wirklich öffnen und Einlass gewähren

so werde ich wie die Natur

mal scheint die Sonne mal regnet es,

alles ist still oder es ist sehr windig

und Gewitter "oh", das lieb ich auch.

lass mich wie die Rose werden

J.M. 99

 

Glossar

Karmendriyas = 5 Handlungsorgane: Hände, Füße, Mund, Anus und Geschlechtsorgan

Koshas = Tantriker verstehen unter dem Körper nicht nur seine äußere Form, sondern auch verschiedene andere Hüllen. Diese Hüllen nennt man im Tantra Koshas. Insgesamt erfährt der Tantriker fünf Hüllen. Die Feste-, die Energie-, die Emotial-, die Verstandes- und die Hülle, in der er absolute Freude erlebt.

Ida & Pingala = Dies sind die beiden Hauptnadis, würden sie sich im materiellen Körper befinden, liegen sie links und rechts an der Wirbelsäule. In diesen Energiekanälen fließen die weiblichen, nehmenden( Ida ) und männlichen, gebenden( Pingala ) Energien.

Sushumna= Eines der Nadis. Der Mittelkanal der entsteht, wenn sich Ida und Pingala soweit annähern, dass Harmonie oder ein Energiefluss entsteht. Wenn er auf der festen Ebene liegt, ist er im Rückenmark zu finden.

Nadis = damit sind alle Kanäle gemeint die irgendetwas befördern . Also sowohl grobstofflich (wie z.B. Nahrung und Flüssigkeit) wie auch feinstofflich (Energie, Gedanken…)

Karma = Die Lehre von Aktion und Reaktion.

Urenergie = vorgeburtliche Energie, die Energie die ich bei meiner Geburt bekommen habe. Sie ist dafür zuständig, meine Körperfunktionen in natürlichem Maße zu unterstützen. Im Ayurveda wird das „Zurückziehen“ oder „Leerer werden“ dieser Energie beschrieben. Als erstes wird die Sehkraft schwächer, dann das Gehör, der Tast-, der Geruchs- sowie der Geschmackssinn. Dies geschieht ab dem Alter von 50 in ca. 10 Jahresschritten. Somit könnten wir ungefähr 100 Jahre alt werden. Was man aber nicht absolut sehen darf.

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